Wir trauern um Ilona Lagrene

Wir trauern um Ilona Lagrene 1950 in Heidelberg geboren und am 19.11.2023 verstorben. Unser herzliches Beileid an die Familie!

Wir kannten Ilona Lagrene als entschlossene Bürger:innenrechtlerin und als sanftmütige Freundin. So wie ihre ganze Generation spürte Ilona Lagrene seit der Kindheit die Auswirkungen des Manuschengro Mareben, des an Sinti und Roma begangenen Völkermords in ihrer Familie und Community.  Sie schloss sich frühzeitig der Bürger:innenrechtsbewegung an. 1986 war sie Mitgründerin des Landesverbandes Deutscher Sinti Baden-Württemberg. Von 1990 bis 1996 war sie Vorsitzende des Landesverbandes, der im Jahr ihres Amtsantritts in Verband Deutscher Sinti und Roma umbenannt wurde. Im Landesverband war sie mit alltagspraktischen Beratungen zu Fragen der Exis­tenz­­sicherung, Ausbildung und Entschädigung beschäftigt gewesen. Sie widmet sich auch der kulturellen Förderung, der Antidiskriminierungsarbeit sowie der Dokumentation und Aufarbeitung der Verfolgungsgeschichte.
Im Zuge ihrer erinnerungspolitischen Arbeit war Ilona Lagrene immer wieder mit dem gesellschaftlichen Unwillen zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen konfrontiert. Jede öffentliche Zeichensetzung musste hartnäckig erkämpft werden. Die Gedenk­tafel am Bahnhof in Asperg, von wo aus im Mai 1940 die erste große Deportation süd­west­deut­scher Sinti und Roma erfolgt, konnte erst 1995 – nach dreijähriger Aus­ein­an­der­setzung mit der Bahn AG – eingeweiht werden. Auch der Ge­denk­­tafel an der Stifts­kirche in Tübingen gingen mehrjährige politische Auseinandersetzungen mit der Stadt voraus – und dass, obwohl die Verfolgung von Sinti und Roma hier einen ihrer wichtigsten Ausgangspunkte hat.
Die Zu­­sam­­men­arbeit mit den Über­le­ben­den und ihre er­in­ne­rungs­po­li­ti­sche Arbeit be­schrieb sie als Lebens­werk und Motor ihres an­dauern­den En­gage­ments.

Frühzeitig begann sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Reinhold Lagrene damit, Zeitzeug:innen des Völkermords zu interviewen, um die Erinnerung an das erlittene Leid zu bewahren und auf würdige Weise sichtbar und zugänglich zu machen.  Die Interviews sind im Buch „weggekommen. Berichte und Zeugnisse von Sinti, die die NS-Verfolgung überlebt haben publiziert. Nach dem Tod von Reinhold Lagrene, der selbst Zeit seines Lebens ein engagierter Bürgerrechtler war, veröffentlichte sie 2018 in Gedenken an ihn seine Poesie auf Romanes mit dem Buch: Djiparmissa. Klassische Gedichte auf Romanes.

Ilona Lagrene beteiligte sich seit 2016 an unserer Arbeit im RomaniPhen e.V. Sie nahm seitdem an verschiedenen Netzwerktreffen, Podien, Werkstätten teil. In der Dokumentation: „Die Polizei hat sich schuldig gemacht“ berichtete sie von der zweiten Verfolgung und Arbeit der Bürger:innenrechtsbewegung. Zuletzt wirkte sie inhaltlich an der bundesweiten Studie zu Rassismuserfahrungen von Rom:nja und Sinti:zze in Deutschland mit, die 2022 erschienen ist. Sie gab ihr Wissen und ihre Erfahrungen freizügig weiter – diese werden wir bewahren.

Wir werden für immer ihre liebevollen und warmherzigen Ansprachen, ihre Zugewandtheit, ihre ruhige und feinfühlige  Gesprächsweise in unseren Herzen behalten!

Möge Sie in Frieden ruhen!